Interview: Stereoplay 11/2000
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Durch Mark und Bein
Kaum zu glauben, aber wahr:
Im Privatleben entwickelt sich der so ausgeglichen wirkende Mark Knopfler zur
echten Pistensau
London, Nobelstadtteil Notting Hill. Ein kleines, schmuckes Backsteingebäude in
einer winzigen Seitengasse. Hier, gegenüber vom Fitnesscenter Lambden, dem
unscheinbaren Promi- Trainingsstudio, das schon Prinzessin Di frequentierte und
in dem heute Robbie Williams Mitglied ist, residiert die Firma Damage
Management., die Mark Knopfler und Bands wie The Blue Nile betreut. Knopfler hat
gerade sein neues Album „Sailing to Philadelphia“ fertiggestellt und lädt zu
einem seiner seltenen Interviews. Zwar hat der 51- jährige immer weniger Haare
auf dem Kopf, dafür sieht er viel fitter aus als noch vor ein paar Jahren. Und
während er einst unnatürlich lange Denkpausen einlegte, die den Interviewer
regelmäßig zur Verzweiflung trieben, wirkt Knopfler diesmal sehr konzentriert.
Stereoplay: Warum haben Sie diesmal ein amerikanisch beeinflusstes Album
eingespielt?
Knopfler: Die Songs, die ich als kleiner Junge hörte, hatte ich immer für
amerikanisch gehalten. Mir war damals nicht klar, dass die Basis dieser Lieder
europäischer Folk war. Diese Tatsache hat mich fasziniert.
Stereoplay: Worauf bezieht sich der Titelsong „Sailing to Philadelphia“?
Knopfler: Auf die Menschen, die zu Pionierzeiten nach Amerika segelten. Dazu
kam, dass ich die Songs in einer Phase schrieb. Als ich oft in Amerika
arbeitete. Auf den Flügen dorthin, stieg ich meistens in Philadelphia um. Ich
sah also aus dem Jet, und da waren diese riesigen Dampfer und Brücken und
daneben diese ausgedehnte Stadt. Und ich dachte daran, dass da noch vor ein paar
hundert Jahren Wildnis gewesen war und dass die Menschen, die dorthin segelten,
ins Ungewisse reisten. Es kam mir vor, als läge diese Zeit gerade fünf Minuten
zurück.
Stereoplay: Warum haben Sie für den Song „The Last Laugh“ Van Morrison
angeheuert?
Knopfler: Wir arbeiten ja schon seit den 80er Jahren zusammen. Van ist für mich
so etwas wie ein Teil meiner Jugend. Seine Stimme gibt mir ein Gefühl der
Geborgenheit. Außerdem passte es inhaltlich, dass er den Song sang.
Stereoplay: Warum?
Knopfler: Weil Van in seinem Leben schon so viele Tiefschläge einstecken musste.
Ich war froh, als es mit ihm wieder bergauf ging. Ich fühle mich ein bisschen
so, als müsste ich ihn beschützen. In diesem Song geht es darum, dass du harte
Zeiten überstanden hast und jetzt weitermachst. Du feierst, dass du noch da
bist. Das ist ein Song für Menschen wie den Forme-1- Piloten Jacques Villeneuve
oder den Radfahrer Lance Armstrong, der den Krebs besiegt hat. Ich finde das
bewundernswert.
Stereoplay: Sind Sie stolz, dass Villeneuve viel Geld für eine Ihrer Gitarren
ausgegeben hat?
Knopfler: Ich wusste ja schon, dass der Mann ein bisschen irre ist, seit ich
einige Runden auf der Bahn im belgischen Spa abgefahren war, wo Villeneuve zuvor
ein paar seiner abenteuerlichsten Rennen hingelegt hatte. Aber als ich erfuhr,
dass er diese Gitarre gekauft hat, war mir vollends klar: Der Mann kann nur
verrückt sein.
Stereoplay: Sie fahren ab und zu kleinere Rennen. Würden Sie gern mit ihm
tauschen?
Knopfler: Als ich kürzlich mal nach so einem kleinen Rennen auf dem Siegerpodest
stand und Blumen und Champagner überreicht bekam, konnte ich mir vorstellen, wie
sich Jacques Villeneuve bei einem Grand Prix fühlt. Das Ganze ist ziemlich
kindisch. Und was mein Faible für Motorräder betrifft: Ich kenne ein paar Jungs,
die in einem Team mitfahren. Und sie lassen mich manchmal ein paar Runden auf
den Kurs. Das ist toll. Weil ich dann meinen alten Helden folgen kann. Und weil
niemand entgegenkommen kann und es keine Schlaglöcher und Ölflecken gibt. Viel
weniger Angst einflößend, als es für mich war, Skilaufen zu lernen.
Stereoplay: Warum macht Ihnen Skilaufen Angst?
Knopfler: Ich stand auf dem Berg. Meine beiden Söhne waren schon ganz weit
unten. Und mein Skilehrer sagte: „Du bist ein sehr tapferer Mann, Mark. Ich
weiß, welche Überwindung es dich kostet, auf den Dingern zu stehen.“ Er fasste
mir an die Beine und sagte: „Die fühlen sich an wie Beton.“ Ich hatte eine
Wahnsinnsangst. In der Ferne sah ich, wie einer meiner Söhne seinem Skilehrer
folgte, und irgendwann verlor er das Gleichgewicht, fuhr einen Kreis und lief
einfach weiter. Unglaublich, wie gut die Kids die Balance halten können. Sie
sind ja erst zwölf.
Stereoplay: Machen sie auch Musik?
Knopfler: Benji spielt Drums in einer Swing Band. Und Joe ist Gitarrist. Er
spielt Captain Beefheart, Frank Zappa und Jimi Hendrix nach. Die beiden sind
richtig gut. Ich hab gehört, wie kürzlich ein Freund zu Benji sagte: Du bist ein
Gott am Schlagzeug, Ben (lacht).
Stereoplay: Würde es Ihnen was ausmachen, wenn sie auch Musiker werden wollten?
Knopfler: Das wollen sie gar nicht. Joe möchte Profi- Skater werden und Benji
Mittelstürmer bei Newcastle United.
Stereoplay: Ihre dritte Frau Kitty Aldridge war Schauspielerin. Was macht sie
jetzt?
Knopfler: Sie hat einen Roman geschrieben, der jetzt rauskommt.
Stereoplay: Haben Sie ihr geholfen?
Knopfler: Um Himmels willen. Ich habe einen Heidenrespekt vor dem Job des
Schriftstellers. Ich könnte nicht als Dichter arbeiten.
Stereoplay: Ist Songs schreiben nicht ähnlich?
Knopfler: Nein, dass sind zwei völlig verschiedene Dinge. Nicht jeder kann mit
Sprache zaubern. Die meisten kriegen mal gerade eben eine Einkaufsliste
zustande. Manche schaffen es immerhin, Artikel zu schreiben.
Stereoplay: Danke.
Knopfler: Gern geschehen. Aber erzählen Sie’s nicht weiter. Manche Menschen
können auch Songs schreiben. Aber es ist etwas ganz anderes, wenn man magische
Prosa schreibt. Oder ein Theaterstück. Ich habe große Hochachtung vor dieser
Kunst, um mich ihr zu nähern. Ich habe ja immerhin auch schon mal Ihren Job
ausprobiert. Ich konnte das nicht. Sie Arme, sie müssen später etwas Sinnvolles
aus meinem Gebrabbel herausarbeiten. Ein Alptraum.
Stereoplay: Wie kommt es, dass Sie so fit aussehen?
Knopfler: Ich habe mit dem Rauchen aufgehört. Und seitdem singe ich mit mehr
Luft. Außerdem mache ich ein paar Mal die Woche Fitnesstraining.
Stereoplay: In dem Studio da drüben?
Knopfler: Nein. Ich habe einen kleinen Fitnessraum. Und ich habe eine Trainerin
angeheuert. Sie ist klein, aber extrem stark. Und sie bekommt 40 Pfund dafür,
dass sie ein paar Mal die Woche an die Tür klopft und sagt: „Es gibt wieder
Prügel.“
Interview: Christiane Rebmann
Stereoplay 11/2000